- Elterliche Sorge: Gemeinsam geschlossener Schulvertrag kann auch nach Scheidung nur gemeinsam gekündigt werden
Wenn man sich scheiden lässt, bleibt die Verbundenheit in manchen Bereichen bestehen - so auch beim Schulvertrag der Kinder. Hat man den als noch verheiratetes Paar geschlossen, kann man ihn nach einer Scheidung auch nur gemeinsam kündigen. Ob sich daran etwas ändert, wenn ein Elternteil befürchtet, den Vertragspflichten nicht mehr ausreichend nachkommen zu können, musste das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) abwägen.
Noch verheiratet und in Ausübung der gemeinsamen Sorge hatten Eltern im eigenen Namen Schulverträge mit einer Privatschule abgeschlossen. Dann ließen sich die Eltern scheiden. Die Verantwortung für Schulangelegenheiten der beiden Kinder wurde gerichtlich dem Vater zur alleinigen Ausübung übertragen. Die Mutter wollte die beiden Schulverträge beenden, der Vater lehnte dies jedoch ab. Also beantragte die Mutter gerichtlich, dass die Verträge aufgelöst werden bzw. dass sie aus den Verträgen entlassen wird. Die Mutter wollte die Kinder gerne in eine Regelschule geben. Allgemein sei sie mit der Schule unzufrieden, auch die Kosten erdrückten sie. Der Vater und die Schule lehnten jedoch ab, die Mutter aus dem Vertrag zu entlassen. Der Vater befürchtete, dass man mit ihm allein keinen neuen Vertrag schließen werde, da die Schule befürchten könnte, er könnte die Kosten nicht alleine schultern.
Die Mutter scheiterte mit ihrem Einwand vor dem OLG. Sie habe schlichtweg keinen Anspruch auf Kündigung der Verträge. Sie müsse sich vielmehr mit dem Vater über deren Fortgeltung einigen. Sie müssen akzeptieren, hierbei als Gesamtschuldnerin verpflichtet zu sein, auch wenn sich das kostensteigernd für sie auswirkt. Wie die Eltern die Kosten unter sich aufteilen, haben sie unterhaltsrechtlich zu klären.
Hinweis: Verträge sind einzuhalten. Das gilt auch nach einer Scheidung. Die Eltern müssen hier eine gemeinsame Basis finden oder eben den Vertrag wie geschlossen erfüllen.
Quelle: OLG Nürnberg, Beschl. v. 10.04.2025 - 10 UF 1180/24(aus: Ausgabe 10/2025)
- Lückenhafte Umgangsvereinbarung: Auch teils nicht vollstreckbare einvernehmliche Einigung kann gerichtlich gebilligt werden
Auf allen Rechtsgebieten kommt es immer wieder zu Streit, weil Vereinbartes nicht konkret genug ausgestaltet wurde. Im hier behandelten Familienrechtsfall fehlte es bei einer Umgangsvereinbarung an einem klaren - auf den ersten Blick in Sachen Umgang unbedingt notwendigen - Detail. Doch dann warf das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) im dagegen gerichteten Beschwerdeverfahren das Kindeswohl in die Waagschale, und das zählt bekanntlich viel.
Vater und Mutter stritten im Beschwerdeverfahren über die Regelung des Umgangs des Vaters mit seiner siebenjährigen Tochter. Das Familiengericht hatte den Umgang des Vaters mit dem Kind für rund acht Monate ausgeschlossen. Dagegen richtete sich dessen Beschwerde. Im Anhörungstermin zur Beschwerde schlossen die Eltern schließlich eine Vereinbarung zum weiteren Umgang. Teilweise enthielt diese Vereinbarung aber keinen vollstreckbaren Inhalt; zum Beispiel fehlten ausdrücklich geregelte Umgangszeiten. Und besonders diese sollten grundsätzlich festgelegt werden, wenn man schon um den Umgang mit dem gemeinsamen Kind streitet. Oder etwa nicht?
Das OLG nahm die getroffene Einigung dennoch an und beendete damit das Beschwerdeverfahren. Der gerichtlichen Billigung stand nicht entgegen, dass die Vereinbarung teilweise keinen vollstreckbaren Inhalt hatte, denn im Umgangsrecht ist die gesetzliche Voraussetzung für die Billigung lediglich eine Kindeswohlprüfung - und eben jenes Kindeswohl wurde durch die getroffene Regelung nicht gefährdet. Es sei zudem anzunehmen, dass die Eltern sich über die Zeiten des Umgangs gesondert einigen, da das Jugendamt die Anbahnung der persönlichen Umgangskontakte weiterhin leiten werde.
Hinweis: Auch wenn das Gericht die Vereinbarung hier billigte, sollten Sie selbst Einigungen, die einvernehmlich zustande kommen, immer so konkret und detailliert wie möglich treffen. Erst dann können Sie das Vereinbarte im Streitfall auch einfach vollstrecken und/oder einklagen. Ohne konkrete Regelung ist dies nicht möglich. Sie können dem Vollstreckungsbeamten dann ja keinen gezielten Auftrag erteilen; er weiß dann schließlich nicht, was er vollstrecken soll.
Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.07.2025 - 5 UF 171/24(aus: Ausgabe 10/2025)
- Umgangsrecht: Kindeswohlgefährdung rechtfertigt begleiteten Umgang
Familien und deren Umgang mit ihren Kindern sind grundrechtlich geschützt. Aus diesem Grund können begleitete Umgänge grundsätzlich auch nur für sechs Monate angeordnet werden. Begleitete Umgänge für eine längere Zeit oder gar unbefristet sind nur bei vorliegender Kindeswohlgefährdung möglich. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) musste prüfen, ob diese Gefährdung zutrifft und vor allem nicht in absehbarer Zeit nachlassen werde.
Es ging um den Umgang zweier Kinder - das eine neun, das andere sechs Jahre alt. Die ukrainischen Eltern wurden in der Ukraine bereits geschieden. Die Mutter flüchtete schließlich vor dem Krieg mit den Kindern nach Deutschland. Der Vater hatte dem zugestimmt, blieb selbst aber in der Ukraine. Erst zwei Jahre später kam auch er nach Deutschland, nachdem er in der Zwischenzeit telefonisch Kontakt mit seinen Kindern gehalten hatte. Es entbrannte schließlich Streit um das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitssorge der beiden. Die Mutter hatte Angst, dass der Vater die Kinder in die Ukraine rückführen wolle, zudem boykottierte er aus Glaubensgründen nötige Schutzimpfungen der Kinder. Im Umgangsverfahren einigte man sich schließlich darauf, dass der Vater die Kinder wöchentlich sehen dürfe - dies jedoch stets in Anwesenheit der Kindesmutter. Der Vater wollte hingegen einen unbegleiteten Umgang erreichen, zog dafür abermals vor Gericht und konnte dort immerhin einen Teilerfolg verbuchen.
Das OLG entschied, dass die begleiteten Umgänge zu befristen sind und für die Folgezeit unbegleitete Umgänge geregelt werden sollen. Die Anordnung begleiteter Umgänge sei zwar zu Recht erfolgt - diese seien aber zu befristen. Unbefristete Begleitung kann bei Kindeswohlgefährdung angeordnet werden, beispielsweise wenn sich Kinder und Eltern total entfremdet haben. Ist aber bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung absehbar, dass im Anschluss an die Umgangsbegleitung unbegleitete Umgänge in Betracht kommen, sind die Begleittermine zu befristen. Zudem ist eine Anschlussregel hinsichtlich des unbegleiteten Umgangs zu treffen. Andernfalls würde nur eine Teilentscheidung getroffen werden, was in Umgangssachen aber nicht zulässig ist. Sollte sich die der Entscheidung zugrundeliegende Prognose - unbegleitete wöchentliche Umgänge ohne Übernachtung - als falsch erweisen, steht den Eltern dann immer noch ein Abänderungsverfahren offen.
Hinweis: Wer eine dauerhafte Begleitung erreichen möchte, muss eine konkrete Kindeswohlgefährdung vortragen können. Ist dies nicht glaubhaft möglich, wird eine Begleitung stets nur befristet angeordnet.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 23.07.2025 - 6 UF 79/25(aus: Ausgabe 10/2025)
- Verfahrensrecht: Akteneinsicht muss rechtzeitig beantragt oder aber das Interesse daran im Nachgang begründet werden
Wird der Umgang gerichtlich geregelt, haben die Verfahrensbeteiligten ein Akteneinsichtsrecht. Ist das Umgangsverfahren allerdings abgeschlossen, besteht das Recht auf Akteneinsicht nur, wenn von dem jeweiligen Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Einsicht dargelegt und glaubhaft gemacht wird. Auf eine derartige Begründung einer Mutter zählte im Folgenden auch das Amtsgericht Hof (AG).
Die Eltern eines 2018 geborenen Kindes haben sich scheiden lassen. Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes ist bei der Kindsmutter. Der beauftragte Sachverständige im Umgangsverfahren hatte telefonisch mitgeteilt, dass er den Umgangsausschluss des Vater empfehle. Das AG hat daraufhin im Wege der einstweiligen Anordnung den Umgang des Kindsvaters mit dem Kind unter Anordnung von Schutzmaßnahmen ausgesetzt. Dieser Beschluss wurde der Kindsmutter zugestellt. Erst nach Abschluss des Verfahrens hat der Anwalt der Mutter die Akteneinsicht beantragt. Das Gericht wies ihn jedoch darauf hin, dass das Verfahren abgeschlossen sei und er dementsprechend ein berechtigtes Interesse darlegen müsse. Der Anwalt tat dies nicht - der Antrag auf Akteneinsicht wurde abgelehnt.
Ohne berechtigtes Interesse keine Akteneinsicht - so könnte man die Entscheidung des AG salopp zusammenfassen. Sobald ein Verfahren abgeschlossen ist, muss ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht vorgetragen werden. Ein solches berechtigtes Interesse liegt etwa dann vor, wenn Rechte des Antragstellers durch den Streitstoff der Akten berührt werden können und die Kenntnis über den Akteninhalt zur Verfolgung von Rechten oder zur Abwehr von Ansprüchen erforderlich ist. Da hier nichts Derartiges vorgetragen wurde, musste der Antrag abgelehnt werden.
Hinweis: Das berechtigte Interesse des Beteiligten eines abgeschlossenen Verfahrens an der Akteneinsicht wird von den Gerichten meist bejaht und die Akteneinsicht gewährt. Wichtig ist, dass ein Interesse wenigstens benannt wird. Hohe Anforderungen werden hier nicht gestellt. Wenn wie hier gar nichts vorgetragen wird, wird der Antrag abgelehnt. Machen Sie sich also die Mühe und benennen Sie ein Interesse oder prüfen Sie, ob Ihr Rechtsbeistand das getan hat!
Quelle: AG Hof, Beschl. v. 18.08.2025 - 001 F 648/25(aus: Ausgabe 10/2025)
- Wirkungsloser Beschluss: Möglichkeit der Berichtigung von Fehlern hat in Entscheidungen ihre Grenzen
Da irren menschlich ist, kommen auch bei Gericht Zahlendreher vor oder wird ein Name falsch geschrieben. Sind diese Fehler offensichtlich, kann man sie schnell und unbürokratisch berichtigen. Gibt es aber Fehler, über die man nicht einfach hinwegsehen kann, um sie "eins, fix, drei" zu korrigieren, machen diese einen gerichtlichen Beschluss schnell unwirksam. Ob auch in diesem Fall das Verfahren neu aufgerollt werden musste, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG).
Ein Jugendamt klagte auf Festsetzung einer Unterhaltsverpflichtung für ein Kind, das bei seinem Vater lebte, der somit auch das Kindergeld bezog. Der Antrag des Jugendamts richtete sich gegen die Mutter. Das Gericht setzte aber aus unerfindlichen Gründen auf die klassische Rollenverteilung und den Unterhalt daher gegen den Vater statt gegen die Mutter fest und stellte diesen Beschluss auch nur an ihn zu. Der Vater staunte da natürlich nicht schlecht. Die daraufhin erfolgte Bitte des Jugendamts um Korrektur sah eine Rechtspflegerin ganz pragmatisch und tauschte schlicht und ergreifend den Vater gegen die Mutter aus - nur namentlich, versteht sich. Dagegen wandte sich dann jedoch die Mutter im Wege der Rechtsbeschwerde an das OLG. In einem Berichtigungsbeschluss können Verfahrensbeteiligte nicht einfach ausgetauscht werden. Der ursprüngliche Beschluss sei ihr auch niemals zugestellt worden.
Und sie behielt Recht. Schon der erste Beschluss an den Vater sei wirkungslos gewesen, da gegen diesen gar kein Verfahren rechtshängig war - das Jugendamt hatte sich schließlich gegen die Mutter gerichtet. Dieser wurde der Beschluss aber nie zugestellt. Diese Zustellung ist für den Unterhaltsfestsetzungsantrag aber eine notwendige Voraussetzung für die Rechtshängigkeit. Auch die später gegen die Mutter ergangene Entscheidung ist wirkungslos. Die Grenzen einer möglichen Berichtigung sind hier überschritten worden. Hier wurden keine Fehler korrigiert, sondern Personen ausgetauscht. Eine (rechtlich) unbeteiligte Person hat man so zur Verfahrensbeteiligten gemacht. Daher sei nun eine Fortsetzung des Verfahrens erforderlich. Mit dieser Begründung verfügte das OLG die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
Hinweis: Auch Fehler im Namen einer Person können verbessert werden, solange klar bleibt, dass es sich um dieselbe Person handelt. Verwechselt das Gericht aber Personen, dann muss es den Fall neu aufrollen, eventuell Prozesshandlungen nachholen. Es kann nicht einfach Entscheidungen "umschreiben".
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 21.08.2025 - 6 UF 146/25(aus: Ausgabe 10/2025)