- Antrag auf Verfahrenskostenhilfe: Ein werthaltiger Pkw kommt bei der Bedürftigkeitsprüfung nicht gut weg
Damit der Rechtsweg nicht zur Frage von arm und reich wird, gibt es für das Führen von gerichtlichen Verfahren den Anspruch auf staatliche Unterstützung, die im Familienrecht Verfahrenskostenhilfe heißt. Doch natürlich wird dafür im Vorfeld geprüft, ob nicht eventuell ein einzusetzendes Vermögen besteht, bevor der Staat einspringt. Ob und wann ein Auto unter jenem einsetzbaren Vermögen zu verstehen ist, musste im folgenden Fall das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG) klären.
Ein Mann hatte Verfahrenskostenhilfe beantragt, obwohl der einen Pkw mit einem Wert von 15.000 EUR sein Eigen nannte. Zunächst einmal musste näher geprüft werden, ob in einem solchen Fall das Fahrzeug überhaupt notwendig sei. Ist das nämlich nicht der Fall, ist ein etwa vorhandener Pkw - und zwar völlig unabhängig von Größe und Wert - in jedem Fall zu Geld zu machen, um den Erlös zur Bestreitung der Verfahrenskosten einzusetzen. Ist das Fahrzeug jedoch aus beruflichen Gründen erforderlich, kommt es nach gerichtlicher Auffassung darauf an, ob es sich um ein höherwertiges Fahrzeug handelt. Nur ein günstiges Fahrzeug steht der Gewährung von Verfahrenskostenhilfe nicht im Weg. Somit ist ein teures Vehikel zu verkaufen und gegen ein günstigeres zu ersetzen. Der entsprechende Differenzbetrag ist dann für die Kosten des gerichtlichen Verfahrens einzusetzen. Und so hatte nach Bewertung des OLG auch im zur Entscheidung vorliegenden Fall ein solcher Austausch zu erfolgen.
Hinweis: Verfahrenskostenhilfe spielt gerade in der familienrechtlichen Praxis eine große Rolle. Dabei ist zu beachten: Wurde sie einmal gewährt, ist dies keine statische Entscheidung. Veränderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen können zu einer Änderung der Entscheidung über die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe führen. Und dies kann bis vier Jahre nach Beendigung des Verfahrens überprüft werden, für das die Bewilligung erfolgte.
Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.11.2020 - 13 UF 134/20(aus: Ausgabe 04/2021)
- Auszug allein reicht nicht: Schriftliche Klärung über die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung nach Scheidung unerlässlich
Die eheliche Wohnung ist bei Trennung und Scheidung eine regelmäßig heikle Angelegenheit. Dass aber selbst bei Einigkeit darüber, wer bleibt und wer geht, zu Recht ein Interesse darin liegen kann, schriftliche Klarheit über das weitere Schicksal des Mietvertrags zu erlangen, zeigt der folgende Fall des Oberlandesgericht Hamburg (OLG).
Ein Ehepaar hatte gemeinsam eine Wohnung angemietet. Im Zuge von Trennung und Scheidung zog der Mann aus. So weit, so gut? Nicht ganz. Denn trotz augenscheinlicher Einigkeit der beiden verweigerte der Mann die abschließende Erklärung, aus dem Mietverhältnis auszuscheiden. Auch tat er sich lange Zeit schwer, den Schlüssel zur Wohnung abzugeben. Es reiche, dass er "praktisch" mit der Wohnung nichts mehr zu tun habe. Und da die Frau nach der Scheidung die Dinge abschließend geklärt wissen wollte, landete die Angelegenheit somit vor dem OLG.
Generell gilt gesetzlich, dass die einstigen Ehegatten für die Zeit nach der Scheidung durch übereinstimmende Erklärung dem Vermieter mitteilen und bestimmen können, wer von ihnen das Mietverhältnis künftig allein fortsetzt und welcher Ehegatte somit aus dem Mietvertrag ausscheidet. Das Mietverhältnis mit dem ausscheidenden Ehegatten ende dann abschließend für die Zukunft. Somit verlangte die Frau die nachzuvollziehende Klarheit auch in den Augen des OLG völlig zu Recht. Faktische Verhältnisse reichen allein nicht - auch formal und damit durch ausdrückliche schriftliche Erklärung habe der Mann mitzuteilen, dass auch er mit der Fortsetzung des Mietverhältnisses allein durch die Frau einverstanden sei.
Hinweis: In den meisten derartigen Fällen ist das Regelbedürfnis ein anderes: Der ausziehende Ehegatte muss darauf achten, nach der Scheidung aus dem Mietvertrag entlassen zu werden. Andernfalls kann er noch Jahre später belangt werden. Wenn beispielsweise der in der Wohnung verbliebene Ehegatte irgendwann Jahre später aus- und womöglich unbekannt verzieht, kann der Vermieter den vorher ausgezogenen Ehegatten wegen eventuell noch offener Mietzahlungen in Anspruch nehmen.
Quelle: OLG Hamburg, Beschl. v. 03.11.2020 - 12 UF 131/20(aus: Ausgabe 04/2021)
- Keine Herausgabe vor Scheidung: Anspruch zum Gebrauch des Familienwagens ist in der Trennungszeit auch ohne Fahrzeugbrief einlösbar
Wer was bekommt, ist in Trennungsfällen eine der heiklen Fragen, die oftmals erst durch die Gerichte zu beantworten sind. Ein hierbei heißbegehrter Haushaltsgegenstand ist das geliebte Familienauto. Und um genau dieses ging es einer Frau innerhalb der Trennungszeit - ein Fall für das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG).
Die Frau behielt ihr Fahrzeug in ihrem Besitz, verfügte auch über den Fahrzeugschein, nicht aber den Fahrzeugbrief. Diesen hatte der Mann in seinem Besitz, und die Frau verlangte von ihm dessen Herausgabe. Doch diesem Antrag entsprach das OLG nicht.
Das Familienfahrzeug ist - unabhängig von der Frage, wem es gehört und/oder wer der Halter ist - nicht einfach ein Vermögens-, sondern im Familienrecht gleichzeitig auch ein Haushaltsgegenstand. In der Trennungszeit - also in der Zeit von Trennung bis Scheidung - hat jener Anspruch darauf, der ihn zur Führung des Haushalts benötigt. Dieser Anspruch ist in der Trennungszeit jedoch lediglich ein Anspruch zum Gebrauch, mehr auch nicht. Zum Gebrauch eines Fahrzeugs ist neben dem Fahrzeug selbst auch nur der Fahrzeugschein erforderlich, nicht aber der Fahrzeugbrief. Deshalb habe die Frau auch hinzunehmen, dass sie in der Trennungszeit nicht auch über diesen Brief verfüge.
Hinweis: Nach der Scheidung hat jeder Ehegatte Anspruch auf sein Eigentum. Dann hat im vorliegenden Fall der Mann den Fahrzeugbrief auch herauszugeben. Besonderheiten gelten dann lediglich für Haushaltsgegenstände, die im gemeinsamen Eigentum stehen. Diese sind dem zuzugestehen, der in stärkerem Maße darauf angewiesen ist, wobei der andere dann Anspruch auf eine angemessene Ausgleichsleistung hat. Während der Ehe für den gemeinsamen Haushalt angeschaffte Gegenstände gelten im Zweifel als gemeinsames Eigentum - unabhängig davon, wer diese bezahlt hat.
Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.10.2020 - 13 UF 114/20(aus: Ausgabe 04/2021)
- Kindergartenbesuch sozial förderlich: Gericht überträgt die Befugnis zur Impfentscheidung auf die Kindesmutter
Nicht erst durch die Coronapandemie ist das Impfthema eines, an dem sich die Geister scheiden. So ist es für die Gerichte nichts neues, dass sich Eltern mitunter nicht einigen können, ob sie ihren Nachwuchs impfen lassen sollten. Auch der folgende Fall konnte erst durch das Amtsgericht Dienburg (AG) geklärt werden.
Die unverheirateten Eltern eines zweijährigen Kindes, das seit der Trennung bei der Mutter lebt, teilen sich dessen elterliche Sorge. Schließlich wollte die Mutter wieder arbeiten und den Sohn während ihrer Arbeitszeiten im Kindergarten betreut wissen. Die dazu notwendigen, altersentsprechenden Standardimpfungen gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts wollte die Mutter vornehmen lassen. Der Vater wehrte sich hingegen - zum einen wegen Bedenken gegen Impfungen, zum anderen weil er den Kindergartenbesuch des Jungen für komplett überflüssig ansah. Er sei schließlich arbeitslos und könne das Kind selbst betreuen.
Das AG hat die Befugnis, die Entscheidung über die Impfung zu treffen, auf die Mutter übertragen, da die Impfentscheidung von erheblicher Bedeutung sei. Eine solche sei zwar generell von beiden sorgeberechtigten Eltern gemeinsam zu treffen - da sie sich aber nicht einigen konnten, habe das Gericht diese Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil zu übertragen. Bei der Abwägung stand für das AG im Vordergrund, dass der Kindergartenbesuch für die soziale Entwicklung eines Kindes in der Regel förderlich ist. Da dazu die Impfung Voraussetzung ist, könne sie nicht umgangen werden. Stattdessen das Kind vom Vater betreuen zu lassen, bringe dabei wenig, da sich die Impffrage dann lediglich auf später verlagere, wenn das Kind in die Schule komme.
Hinweis: Die Entscheidung betrifft nicht generell die Frage nach Impfschutz, sondern nur die nach Impfen als Voraussetzung, um das Kind in den Kindergarten geben bzw. zur Schule anmelden zu können.
Quelle: AG Dieburg, Beschl. v. 07.12.2020 - 51 F 308/20 SO(aus: Ausgabe 04/2021)
- Kindschaftssache scheitert: Jugendamt kann selbst keine Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung einlegen
So brisant der folgende Fall auch ist, zeigt er auch besonders deutlich, wie wichtig es ist, den korrekten Rechtsweg zu beschreiten. Daher ist es besonders in Kindschaftssachen wichtig, darauf zu achten, wer welche Rechte und Möglichkeiten hat. Sonst geraten die Dinge aus dem Lot - so wie im folgenden Fall, der in seiner Konstellation nicht an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hätte herangetragen werden sollen.
Ein Kind lebte bei seiner Mutter, die das alleinige Sorgerecht innehielt. Dann zog die Frau mit der Tochter zu ihrem Partner. Das Heikle an der eigentlich selbstverständlich erscheinenden neuen Lebenssituation war, dass dieser Mann ein Jahr zuvor wegen Sexualstraftaten an Kindern zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war. Und so kam das Jugendamt ins Spiel. Über mehrere Instanzen endete das Verfahren damit, dass entgegen der Anregung des Amts der Mutter die elterliche Sorge nicht entzogen wurde. Sie wurde lediglich angehalten, eine Familienberatung aufzusuchen. Gegen diese Entscheidung legte das Jugendamt schließlich Verfassungsbeschwerde ein.
Das BVerfG wies die Verfassungsbeschwerde jedoch zurück, ohne in der Sache selbst eine Entscheidung zu treffen. Denn das Gericht erkannte darauf, dass das Jugendamt nicht berechtigt war, Verfassungsbeschwerde einzulegen. Dazu hätte es in eigenen Rechten verletzt sein müssen - und nicht die Rechte des Kindes. Denn das Kind wurde von einem Verfahrensbeistand vertreten, der die Entscheidung des Vorgerichts hingenommen hatte, weswegen das Jugendamt dagegen vorging. Stattdessen hätte aber ein Ergänzungspfleger bestellt werden können, damit dieser die Verfassungsbeschwerde im Namen des Kindes hätte einlegen können. Das war aber nicht geschehen. Allein der Umstand, dass das Jugendamt mit der Sache befasst war und sich um das Kind zu kümmern hat, berechtigt die Behörde aber nicht, den Fall vor das BVerfG zu bringen.
Hinweis: Der Fall zeigt, dass es in Kindschaftssachen nicht einfach nur um die Frage geht, was im Sinne des Wohls des Kindes richtig oder falsch ist. Wichtig ist auch, dass die gesetzlichen Regeln für das Vorgehen eingehalten werden. Das ist den oft bzw. meist emotional unmittelbar Beteiligten nur schwer möglich. Wichtig ist es deshalb, einen Berater zur Seite zu haben, der mit distanziertem Blick die Sache betrachtet und konstruktiv weiterhilft.
Quelle: BVerfG, Beschl. v. 15.12.2020 - 1 BvR 1395/19(aus: Ausgabe 04/2021)