Verkehrsrecht
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Geschwindigkeitsverstöße, Abstand unterschritten,
rote Ampel, etc.?
Ihnen wird zur Last gelegt, eine Geschwindigkeitsüberschreitung oder einen anderen Bußgeld bewährten Verstoß begangen zu haben?
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In all diesen Problembereichen sollten Sie sich anwaltlicher Hilfe bedienen. Hierfür stehe ich als Fachanwalt für Verkehrsrecht gerne zur Verfügung.:
Zum Thema Verkehrsrecht
- Grüne Fußgängerampel: Zugmaschine hat selbst als "Kreuzungsräumer" bei sich auflösendem Stau keine Vorfahrt
- Kein unvermeidbarer Verbotsirrtum: Mercedes haftet nach Einbau einer Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung
- Keine Datenlöschung: HIS-Eintrag der fiktiven Abrechnung bleibt auch nach später erfolgter Reparatur bestehen
- Mietwagenkostenrückerstattung: Laien dürfen sich auf Einschätzung des Privatgutachters hinsichtlich Notreparatur verlassen
- Traktor als Hindernis: Haftungsverteilung nach Überholunfall zweier Fahrzeuge einer Kolonne
Wer zugunsten des (wieder) fließenden Verlehrs nach einem Stau die Kreuzung räumen möchte, sollte stets gewährleisten, niemanden zu gefährden - egal, wie lang man bereits darauf gewartet hat, weiterfahren zu können. Sonst landet man schnell vor dem Verkehrsgericht, so wie der Lastwagenfahrer in diesem Fall sich vor dem Landgericht Lübeck (LG) wiederfand.
Die 85-jährige Klägerin stand an einer Ampel und wartete darauf, die Straße überqueren zu können, auf der so viele Autos unterwegs waren, dass es zu einem Stau kam. Der beklagte Lastwagenfahrer schaffte es dabei nicht mehr über die Kreuzung und wartete vor dem Fußgängerüberweg. Als die Fußgängerampel auf grün sprang, löste sich gleichzeitig der Stau auf. Es kam, wie es kommen musste: Die Klägerin ging los, während der Lastwagen anfuhr, sie überrollte und schwer verletzte. Vor dem LG klagte sie unter anderem auf eine weitere Schmerzensgeldzahlung. Die beklagte Versicherung des Lastwagenfahrers hatte eingewendet, die Frau hätte nicht über die Straße gehen dürfen und stattdessen den Lastwagen als sogenannten "Kreuzungsräumer" durchfahren lassen müssen.
Die Klage der Fußgängerin war überwiegend begründet. Das LG verurteilte die Beklagte daher zu weiterem Schmerzensgeld. Die Haftung des Lkw-Fahrers ergebe sich aus dem vom Gericht festgestellten Unfallgeschehen. Die Klägerin durfte über die Fahrbahn gehen, denn der Lastwagen hatte als Kreuzungsräumer keine Vorfahrt. Die Klägerin hätte sich zwar durchaus vergewissern müssen, dass der Lastwagen vor dem Fußgängerüberweg stehen bleibt, als sich der Stau auflöste. Trotz grüner Fußgängerampel hätte sie nicht sofort losgehen dürfen. Dennoch müsse sie sich laut LG aber kein Mitverschulden anrechnen lassen. Denn den Lastwagenfahrer träfe ein so schweres Verschulden, dass er allein haftet. Seinerseits sei zwar eine erhöhte Betriebsgefahr aufgrund der eingeschränkten bzw. fehlenden Sicht sowie des größeren Verletzungspotentials durch den Lkw nebst Anhänger zu berücksichtigen - dennoch wog sein Verschulden schwer. Das Gericht geht nach der Beweisaufnahme davon aus, dass der Fahrer der Zugmaschine unmittelbar vor der Fußgängerfurt zum Stehen kam und die Furt bewusst für mögliche querende Fußgänger frei ließ. Die wartende Klägerin hätte der beklagte Lkw-Fahrer nach Auffassung des Gerichts wahrnehmen können, er sei aber aus Unachtsamkeit bei Auflösen des Staus dennoch angefahren, als die Ampel für die Klägerin bereits grün zeigte.
Hinweis: Auch der Hinweis, der Lkw-Fahrer habe die Klägerin aus seiner Führerkabine gar nicht sehen können, überzeugte das LG nicht. Er hätte sich viemehr vor dem Anfahren vergewissern müssen, dass er niemanden gefährdet - notfalls aussteigen oder sich von anderen zur Weiterfahrt einweisen lassen müssen, und zwar auch, wenn er mit der Zugmaschine die Fußgängerfurt bereits durchfahren hatte. Mit dem Überqueren der Straße durch andere Verkehrsteilnehmer muss ein Kraftfahrzeugführer rechnen, nachdem sein Fahrzeug wegen stockenden Verkehrs dort zum Halten gekommen ist - erst recht im Bereich einer Fußgängerampel.
Quelle: LG Lübeck, Urt. v. 29.09.2023 - 3 O 336/22
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(aus: Ausgabe 12/2023)
Beim Thema "Abschalteinrichtung" ist noch lange nicht alles ausgeurteilt. Das beweist auch der Fall des Oberlandesgerichts Stuttgart (OLG), bei dem es nicht etwa um geschönte Dieselabgaswerte, sondern um die sogenannte Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (KSR) ging. Die zentrale Frage hierbei war, ob bei der KSR wie beim Thermofenster eine Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz durch den Hersteller deswegen entfällt, weil dieser sich auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen kann.
Eine solche Unvermeidbarkeit liegt dann vor, wenn der Hersteller auch bei äußerster Gewissensanspannung nicht hätte erkennen können, dass er Unrecht verwirklicht. Bei Zweifeln müsse sich der Hersteller bei einer fachkundigen und zuverlässigen Stelle erkundigen. Und hier spielte das Kraftfahrt-Bundesamt den Herstellern in die Karten, das die herstellerübergreifend in Dieselfahrzeugen zum Einsatz gekommenen Thermofenster nach jahrelanger Kenntnis und Genehmigungspraxis bis ins Jahr 2020 nicht beanstandet hatte. Bei der KSR verhielt es sich nach Ansicht des OLG jedoch anders.
Hier sah der Senat ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten, die den Einbau der KSR auch gar nicht erst bestritt. Das Gericht war der Überzeugung, dass sich die für die Beklagte handelnden Personen in keinem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden hatten. Seine Überzeugung stützte der Senat dabei auch darauf, dass das Kraftfahrt-Bundesamt hierzu keine derartige Kenntnis und Genehmigungspraxis habe walten lassen wie beim Thermofenster. Einen beachtlichen Rechtsirrtum über die Zulässigkeit der KSR habe die Beklagte auch nicht dargelegt, zumal sich diese hinsichtlich der KSR auch nicht auf einen vergleichbaren Vertrauenstatbestand wie beim Thermofenster stützen konnte.
Hinweis: Das OLG hat unter Berücksichtigung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (vom 21.03.2023 - C-100/21) sowie des Bundesgerichtshofs (vom 26.06.2023 - VIa ZR 335/21, VIa ZR 533/21 und VIa ZR 1031/22) daher entschieden, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch zusteht (aus § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung).
Quelle: OLG Stuttgart, Urt. v. 19.10.2023 - 24 U 103/22
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(aus: Ausgabe 12/2023)
Bei fiktiver Abrechnung eines Fahrzeugschadens über 1.500 EUR ist die Kaskoversicherung berechtigt, die Vornahme der fiktiven Abrechnung als Meldegrund an das Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft (HIS) zu melden. Welche Voraussetzung genügt, um dort zum Zweck der Aufdeckung bzw. Prävention von Versicherungsbetrug und -missbrauch registriert zu werden, war die Frage im Fall des Amtsgerichts München (AG).
Der Kläger erlitt mit seinem Fahrzeug, das bei der beklagten Versicherung versichert ist, einen Schaden. Die Beklagte bearbeitete und regulierte den Schaden als eintrittspflichtige Versicherung aufgrund eines vom Kläger vorgelegten Kostenvoranschlags. Die kalkulierten Reparaturkosten betrugen ohne Mehrwertsteuer etwa 3.300 EUR. Anschließend gab die Beklagte den Schadensfall an das HIS weiter (Höhe des entstandenen Schadens und die Fahrzeugidentifikationsnummer des betroffenen Kfz). Der Kläger behauptet, die dortige Eintragungen seien falsch, da sein Fahrzeug repariert worden sei und insofern keine fiktive Abrechnung des Schadens mehr vorliege.
Das AG hat die Klage dennoch abgewiesen. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt keine unrichtige Eintragung im HIS und damit auch keine unrechtmäßige Verarbeitung der Daten vor. Das Gericht sah es als ausreichend nachgewiesen an, dass der streitgegenständliche Schaden am Klägerfahrzeug von der Beklagten aufgrund einer fiktiven Abrechnung reguliert wurde. Anhand des klägerseitig eingereichten Kostenvoranschlags hat die Beklagte den Schaden reguliert und dem Kläger die ermittelten Reparaturkosten netto erstattet. Auch wenn der Kläger anschließend sein Fahrzeug tatsächlich repariert haben sollte, ändert dies an der zunächst vorgenommenen fiktiven Abrechnung durch die Beklagte nichts. Es wurde auch nicht vorgetragen, dass der Kläger nachträglich seine Abrechnungsmodalität umgestellt hätte und nunmehr anhand konkret angefallener Reparaturkosten abgerechnet hätte.
Hinweis: Gemäß Art. 17 Abs. 1 Buchst. d) Datenschutz-Grundverordnung sind personenbezogene Daten zu löschen, sofern die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden. Hier lag aber keine unrechtmäßige Verarbeitung der Daten vor. Seitens der Versicherungswirtschaft besteht ein Interesse daran, Versicherungsmissbrauch bei der mehrfachen Abrechnung im Fall fiktiver Schadensberechnung zu verhindern. Durch die Speicherung der Daten kann die Aufdeckung missbräuchlichen Verhaltens durch eine wiederholte Geltendmachung desselben Schadens an einem Fahrzeug erleichtert werden.
Quelle: AG München, Urt. v. 26.07.2023 - 322 C 3109/23 (2)
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(aus: Ausgabe 12/2023)
Wenn ein Privatgutachter zur Einschätzung kommt, dass die Notreparatur eines Unfallfahrzeugs unwirtschaftlich ist, sollte sich ein Laie doch darauf verlassen und einen Mietwagen beschaffen dürfen - oder etwa nicht? Weil die Frage der Verhältnismäßigkeit offensichtlich nicht so klar war, ging sie in Sachen Kostenerstattung für den Mietwagen vom Landgericht Hannover (LG) schließlich bis zum Oberlandesgericht Celle (OLG).
In dem zugrundeliegenden Fall klagte die Geschädigte eines Verkehrsunfalls vor dem LG auf Erstattung der Mietwagenkosten. Sie hatte sich bis zur Reparatur des verunfallten Fahrzeugs einen Mietwagen beschafft, und der von ihr beauftragte Privatgutachter kam zur Einschätzung, dass eine Notreparatur des Fahrzeugs unwirtschaftlich sei. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige hatte hingegen die Notreparatur für durchaus wirtschaftlich erachtet. Das LG wies die Klage der Klägerin daher ab - weiter ging es mit Berufung der Klägerin zum OLG.
Das OLG entschied schließlich zugunsten der Klägerin. Ihr stehe ein Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten zu. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht sei der Klägerin nicht anzulasten. Sie hätte keine Notreparatur ihres Fahrzeugs veranlassen müssen. Sie habe der plausiblen und nachvollziehbaren Einschätzung des von ihr beauftragten Sachverständigen folgen dürfen. Für die Klägerin als Laiin sei die Einschätzung der Wirtschaftlichkeit einer Notreparatur nicht erkennbar gewesen.
Hinweis: Der vom LG beauftragte Sachverständige hat - entgegen den privatgutachterlichen Feststellungen - dargelegt, dass er eine Notreparatur für möglich und wirtschaftlich erachtet hätte. Er hat in seiner persönlichen Anhörung aber auch bekundet, dass der Privatgutachter die Wirtschaftlichkeit bzw. Möglichkeit einer Notreparatur nicht hätte erkennen können, weil dieser - unterstellt - keinen Zugriff auf das VW-Bestellsystem gehabt habe. Ebenso hätte die Geschädigte als Laiin nicht die Möglichkeit einer Notreparatur erkennen können.
Quelle: OLG Celle, Urt. v. 13.09.2023 - 14 U 19/23
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(aus: Ausgabe 12/2023)
Überholen darf ein Fahrzeugführer stets nur dann, wenn er eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vollständig ausschließen kann. Und so hinderlich und ärgerlich eine Kolonne auch sein mag, die sich beispielsweise hinter einem langsamen Verkehrsteilnehmer bildet: Ob sie automatisch eine "unklare Verkehrslage" darstellt oder ob man sie sehr wohl überholen darf, musste das Landgericht Lübeck (LG) hier klären.
Auf einer Landstraße hatte sich hinter einem Traktor eine Kolonne gebildet. Ganz am Ende der Kolonne fuhr der Kläger. Vor ihm fuhren zwei weitere Autos. Nachdem ein Überholverbot endete, begann der Kläger, von hinten die Kolonne links zu überholen. Als er sich auf Höhe des Wagens direkt hinter dem Traktor befand, scherte plötzlich dessen Fahrerin ebenfalls zum Überholen aus. Der Kläger versuchte, noch auszuweichen, aber schrammte bei diesem Manöver mit seinem Auto den Traktor entlang. Wer war hieran nun schuld? Der Kläger, der als Letzter mit dem Überholvorgang begann, obwohl er dabei die längste Überholstrecke zu überwinden hatte? Oder die ausscherende Fahrerin, die sich direkt hinter dem hinderlichen Traktor befand? Oder gar beide?
Das LG sah das ganz klar: Haften müssen hier beide. Die ausscherende Fahrerin hätte nur dann überholen dürfen, wenn die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen gewesen wäre. Der Umstand, dass es überhaupt zu dem Unfall und zum Zusammentreffen vor dem LG gekommen sei, spräche dafür, dass die Frau eben nicht gut genug aufgepasst hatte. Der Kläger hatte die Kolonne grundsätzlich überholen dürfen. Zwar gelte die Regel, dass bei "unklarer Verkehrslage" nicht überholt werden dürfe - nicht jede Kolonne sei aber per se eine "unklare Verkehrslage". Es hätten im Prozess keinerlei Umstände festgestellt werden können, die gegen seinen Überholversuch sprachen. Und dennoch muss sich der Kläger an dem Schaden beteiligen. Schließlich sei auch für ihn der Unfall nicht völlig unvermeidbar gewesen. Denn selbst, wenn das Überholen einer Kolonne nicht verboten sei, hätte ein "Idealfahrer" dies angesichts der damit verbundenen Selbst- und Fremdgefährdung unterlassen. Die generelle Haftung eines Autofahrers (die sogenannte "Betriebsgefahr") entfalle daher nicht völlig. Somit musste sich der Mann eine 20%ige Mitschuld zurechnen lassen.
Hinweis: Eine unklare Verkehrslage im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 1 Straßenverkehrs-Ordnung liegt vor, wenn der Überholende nach den objektiv gegebenen Umständen nicht mit einem ungefährlichen Überholvorgang rechnen darf. Allein eine Verringerung der Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeugs reicht hierfür in der Regel nicht aus.
Quelle: LG Lübeck, Urt. v. 28.07.2023 - 9 O 27/21
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 12/2023)